Dolus generalis – der allgemeine (generelle) Vorsatz – bezeichnet die frühere herrschende Vorsatzlehre, wonach eine Strafbarkeit wegen einer vorsätzlich begangenen Tat nur erfordert, dass der Täter irgendwann einmal während des Handlungsablaufs einen Vorsatz hatte. Das der Täter diesen Vorsatz später – noch vor dem Erfolgseintritt – wieder aufgab, weil er glaubte, den Erfolg schon herbeigeführt zu haben, blieb hierbei ohne Belang.
Der dolus generalis war die früher sowohl in der Rechtsprechung wie auch in der Strafrechtswissenschaft vertretene Figur des Vorsatzes. Heute geht man dagegen allgemein davon aus, dass der dolus generalis nicht mehr mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar ist.
Das Problem des doli generalis zeigt sich beispielsweise in dem 1960 vom Bundesgerichtshof entschiedenen Jauchegrubenfall[1]: Dort wollte der Täter sein Opfer erwürgen. Als das Opfer aufgrund des Würgens bewußtlos wurde, nahm der Täter an, das Opfer sei schon tot. Um seine Spuren zu verwischen, warf er sein bewußtsloses, aber noch nicht totes Opfer sodann in eine Jauchegrube, in der es dann ertrank. Sah man früher dieses Ertrinken in der Jauchegrube noch als vom Generalvorsatz des „Das Opfer töten wollens“ umfasst an, ist dies heute wegen des aus den §§ 8, 16, 22 StGB folgenden Simultanitätsprinzips, wonach der Vorsatz, die Rechtswidrigkeit der Tat und die Schuld des Täters im Zeitpunkt der Handlung – verstanden als den Zeitpunkt der Erfolgsverursachung, hier also beim Werfen in die Jauchegrube – gleichzeitig vorliegen müssen, nicht mehr möglich.
Der Bundesgerichtshof kam im Jauchegrubenfall, obwohl er die Nichtanwendbarkeit des doli generalis bestätigte, gleichwohl zu einem vorsätzlichen Tötungsdelikt, indem er auf die Figur der unwesentlichen Abweichung vom Kausalverlauf zurückgriff.
- BGHSt 14, 193[↩]