Proverbia Iuris

Bona fides

Bona fides bezeichnet den Guten Glauben, ein Rechtsbegriff, der einen Vertrauensschutz für eine bestimmten Rechtsschein bietet.

Bona fide in der Rechtsterminologie[↑]

Der römischrechtliche Begriff des bona fides geht allerdings über den deutschen Rechtsbegriff des Guten Glaubens hinaus. Bona fides bezeichnet im römischen Recht ganz allgemein das redliche und zuverlässige Handeln im Rechtsverkehr. Bona fides umfasst daher – neben dem Gutglaubensschutz – auch alles das, was in der deutschen Rechtslehre unter dem Begriff „Treu und Glauben“ erfasst wird.

Auch heute noch verwenden viele Rechtsordnungen insbesondere des romanischen oder des anglo-amerikanischen Rechtskreises den Begriff der bona fides noch im ursprünglichen, römisch-rechtlichen Sinne. Bonne foi (französisch), buena fe (spanisch), buona fede (italienisch) oder „good faith“ bezeichnet daher auch heute noch ein Verhalten, dass im Deutschen eher mit Treu und Glauben („treugläubig“) wiedergegeben werden kann, während mit mala fide – bösgläubig – in romanischen oder anglo-amerikanischen Rechtssprachen ein treuwidriges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten gekennzeichnet wird.

Guter Glauben im deutschen Rechtssystem[↑]

Der deutsche Begriff der Gutgläubigkeit ist gegenüber diesem römischrechtlichen Begriff des bona fides eine begriffliche Verengung. Bona fide – gutgläubig – ist in unserem Verständnis, wem trotz objektiver Unberechtigtheit ein subjektives Unrechtsbewusstsein fehlt.

Der Gutglaubenschutz regelt den Fall, dass es an der Berechtigung des Verfügenden fehlt, aber ein Verfügungsgeschäft dennoch wirksam sein soll. Der gute Glaube überwindet jedoch lediglich den Mangel in der Berechtigung, nicht jedoch einen bestehenden Einigungsmangel oder Übergabemangel. Das deutsche Recht kennt einen Gutglaubensschutz in zwei Fällen:

  1. Guter Glaube an das Eigentum: Dies ist der Regelfall der §§ 932 ff. BGB beim Eigentumserwerb, besteht daneben aber etwa auch bei Wertpapieren:
    • Gutglaubensschutz beim Eigentumserwerb

      Der Hauptanwendungsfall des Gutglaubensschutzes im deutschen Sachenrecht ist der gutgläubige Erwerb des Eigentums an einer beweglichen Sache. § 932 BGB bestimmt hierzu, dass ein Erwerber von einem Veräußerer, der nicht Eigentümer, wohl aber Besitzer der Sache ist, das Eigentum an der Sache erwerben kann. Das Gesetz schützt hier also den „guten Glauben“ des Erwerbers, dass der Besitzer einer Sache auch dessen Eigentümer ist. Dieser gutgläubige Eigentumserwerb ist aber nur möglich, wenn der Erwerber zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs -insbesondere zum Zeitpunkt des Besitzübergangs – tatsächlich gutgläubig hinsichtlich des Eigentumsrechts des Veräußerers ist. Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm entweder bekannt oder aber nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

      Eine Ausnahme bestimmt § 935 BGB. Hiernach ist kein gutgläubiger Eigentumserwerb möglich, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Das Gleiche gilt, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhanden gekommen war.

    • Gutglaubensschutz bei Grundstücken

      Ein Gutglaubensschutz besteht auch beim Eigentumserwerb oder der Belastung von Grundstücken. Hierbei wird jedoch nicht auf den Besitz abgestellt, sondern auf den Inhalt des Grundbuchs, das „öffentlichen Glauben“ besitzt. So bestimmt § 892 Abs. 1 BGB, dass zugunsten desjenigen, welcher ein Recht an einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Recht durch Rechtsgeschäft erwirbt, der Inhalt des Grundbuchs als richtig gilt, es sei denn, dass ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder die Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt ist.

      Dieser öffentliche Glaube des Grundbuchs gilt nach § 892 Abs. 2 BGB auch hinsichtlich der Verfügungsbefugnis: Ist der Berechtigte in der Verfügung über ein im Grundbuch eingetragenes Recht zugunsten einer bestimmten Person beschränkt, so ist die Beschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam, wenn sie aus dem Grundbuch ersichtlich oder dem Erwerber bekannt ist.

    • Gutglaubensschutz bei Wertpapieren

      Der gutgläubige Erwerbs von Inhaberpapieren ist noch weitreichender geschützt als bei Sachen. So normiert § 793 Abs. 1 S. 1 BGB bei Inhaberpapieren die gesetzliche Vermutung, dass der Besitzer eines Inhaberpapiers auch dessen Eigentümer ist. Darüber hinaus können Inhaberpapiere – ebenso wie Geld – selbst dann gutgläubig erworben werden, wenn sie dem früheren Eigentümer abhanden gekommen sind (§ 935 Abs. 2 BGB).

      Auch bei Orderpaieren ist ein gutgläubiger Erwerb selbst bei abhanden gekommenen Papieren möglich (§ 365 Abs. 2 HGB i.V.m. Art. 16 Abs. 2 WG, Art. 21 ScheckG), sofern nur der jeweilige Inhaber sich durch eine zusammenhängende, auf den Aussteller zurückführende Kette von Indossamenten ausweisen kann. Der gute Glaube knüpft damit bei Orderpapieren in der Regel nicht an den Besitz der Urkunde, sondern an eine lückenlose Indossamentenkette an. Besteht eine solche lückenlose Indossamentenkette, ist nicht nur der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers geschützt, sondern auch der gute Glaube an dessen Verfügungsbefugnis.

      Dagegen ist bei Rektapapieren, deren Übertragung ausschließlich schuldrechtlichen und nicht sachenrechtlichen Regeln folgt, ein gutgläubiger Erwerb regelmäßig nicht möglich. § 405 BGB ermöglicht insoweit – neben dem Ausschluss der Einrede eines Scheingeschäfts – lediglich eine wirksame Abtretung trotz eigentlich vereinbarten Abtretungsverbots, sofern dieses auf der vorgelegten Schuldurkunde nicht vermerkt ist.

  2. Guter Glaube an die Verfügungsbefugnis: Das deutsche Recht kennt keinen Schutz des guten Glaubens an die Vertretungsmacht des Verfügenden, wohl aber in einzelnen Bereichen einen Schutz des Guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis, so etwa:
    • Veräußerungsverbote

      Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt einen Gutglaubensschutz bei gesetzlichen oder behördlichen Veräußerungsverboten (§§ 135 Abs. 2, 136 BGB)

    • Zwischenverfügungen

      Hat jemand unter einer aufschiebenden Bedingung über einen Gegenstand verfügt, so ist jede weitere Verfügung, die er während der Schwebezeit über den Gegenstand trifft, im Falle des Eintritts der Bedingung insoweit unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder beeinträchtigen würde. Allerdings sieht § 161 Abs. 3 BGB insoweit ebenfalls einen Schutz des gutgläubigen Erwerbers vor.

    • Vorlage einer Vollmachtsurkunde

      Das deutsche Recht kennt zwar grundsätzlich keinen Schutz des guten Glaubens an die Vertretungsmacht des Verfügenden, macht hierzu aber eine Ausnahme: Wird eine Vollmachtsurkunde im Original vorgelegt, ist der Vertragspartner gemäß § 172 BGB in seinem guten Glauben an das Bestehen der in der Urkunde beschriebenen Vollmacht geschützt, selbst wenn diese zwischenzeitlich widerrufen sein sollte.

    • Handelskauf

      Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache, so erstreckt § 366 BGB den Schutz des guten Glaubens des Erwerbers auch auf die Fälle, in denen der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders betrifft, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen. Geschützt ist hier also nicht nur der gute Glaube an das Eigentum des Händlers, sondern auch an seine Verfügungsbefugnis über solche Sachen, die (etwa wegen eines Eigentumsvorbehalts des Lieferanten oder einer Sicherungsübereignung des Warenlagers) nicht in seinem Eigentum stehen. Der Käufer muss bei einem Händler also nicht davon ausgehen, dass dieser auch Eigentümer der von ihm verkauften Sachen ist, es ist ausreichend, dass er glaubt, der Händler dürfe die Sache verkaufen.

    • Erbrecht

      Im Erbrecht begründet der Erbschein ebenfalls einen Gutglaubensschutz. Nach 2366 BGB besteht ein öffentlicher Glaube des Erbscheins: Wer von dem in einem Erbschein bezeichneten Erben etwas erwirbt, erwirbt rechtmäßig, auch wenn der Betreffende tatsächlich gar nicht der Erbe war, es sei denn, dass der Erwerber die Unrichtigkeit des Erbscheins kennt oder weiß, dass das Nachlassgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat.

Treu und Glauben im deutschen Rechtssystem[↑]

„Treu und Glauben“ beschreibt das Verhalten eines redlich und anständig handelnden Menschen. Der Grundsatz von „Treu und Glauben“ ist ein bestimmender Grundsatz des gesamten deutschen Zivilrechts. So bestimmt § 242 BGB, dass der Schuldner verpflichtet ist, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

§ 242 BGB beschreibt dem Grundsatz von Treu und Glauben damit als eine abstrakte, für alle Schuldverhältnisse geltende Generalklausel. Aus dieser Generalklausel folgt etwa das Verbot des Rechtsmissbrauchs oder das Verbot des venire contra factum proprium. Bis zur Schuldrechtsreform 2002 wurde aus § 242 auch das – heute in § 241 Abs. 2 BGB geregelte – Institut der positiven Vertragsverletzung (pVV) bzw. positiven Forderungsverletzung sowie die – heute in § 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB geregelte – culpa in contrahendo, das Verschulden bei Vertragsschluss, abgeleitet.

§ 242 BGB gilt seinem Wortlaut nach nur für Schuldverhältnisse. Aber auch außerhalb vertraglicher Beziehungen finden sich Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben, so etwa in dem Schikaneverbot des § 226 BGB, wonach ein solches Handeln unzulässig ist, das dazu dient, dem anderen zu schaden, oder in der Vorschrift des § 826 BGB, wonach eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung stets zum Schadensersatz verpflichtet.

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