Proverbia Iuris

Ius circa sacra

Ius circa sacra – das Recht über das Heilige – beschreibt als ein Grundbegriff des Staatskirchenrechts die Kirchenhoheit, also das Recht über die Kirchen, im Gegensatz zum ius in sacra, das die Hoheitsbefugnisse innerhalb der Kirche beschreibt.

Traditionell wird das ius circa sacra in drei verschiedene Rechte unterteilt, nämlich

  • das ius reformandi, das Recht auf Zulassung von Religionsgemeinschaften (heute auch als subjektives Recht auf Verleihung des Statuses als Körperschaft des öffentlichen Rechts),
  • das ius advocatiae, das Recht zum Schutz der Kirche, und
  • das ius inspectionis, das Aufsichtsrecht über die Kirche.

In einem souveränen Staat liegt die Kirchenhoheit, das ius circa sacra, regelmäßig bei dem Staat. Die Intensität, mit welcher der Staat diese Kirchenhoheit jedoch ausübt, wird maßgeblich beeinflusst durch das vom Staat gewährleistete Maß an Religionsfreiheit und religiöser Selbstbestimmung.

Die Kirchenhoheit war in der Geschichte stets umstritten, der Investiturstreit und der Bismarcksche Kulturkampf kennzeichnen hier nur zwei herausragende Zeitpunkte. Selbst in den katholischen Gebieten Deutschlands nahm die staatliche Kirchenhoheit im Laufe der Zeit jedoch immer mehr zu und erfuhr insbesondere im Zeitalter des Absolutismus (und insbesondere im Josephinismus) eine starke Ausdehnung. In den Gebieten evangelischer Fürsten bestand dagegen von jeher ein landesherrliches Kirchenregiment, hier war der evangelische Fürst auch regelmäßig der Bischof „seiner“ Landeskirche.

Als Gegenbewegung hierzu entwickelte sich in der Rechtswissenschaft auf der Grundlage der von Papst Leo XIII entwickelten Societas-perfexta-Lehre die Koordinationslehre als Vorstellung einer Gleichordnung von Staat und Kirche, die gegenseitig keine Hoheitsgewalt übereinander haben und ihre Beziehungen auf völkerrechtlicher Ebene regeln.

Nach dem heute geltenden Staatskirchenrecht liegt die Kirchenhoheit beim Staat. Die nach Art. 140 GG weitergeltende Bestimmung des Art. 137 Abs. 3 S. 1 der Weimarer Reichsverfassung gewährleistet auf der Grundlage einer Trennung von Kirche und Staat die kirchliche Selbstbestimmung nur „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. Damit unterstehen die Religionsgemeinschaften in Deutschland der Staatsgewalt nur in dem gleichen Umfang, wie jede andere Vereinigung auch, es gibt aber keine besondere Rechtsaufsicht oder gar Fachaufsicht über die Kirchen, ausgenommen hiervon ist nur die staatliche Aufsicht in den Fällen, in denen die Kirchen staatliche Gewalt ausüben, wie etwa bei der Erhebung von Kirchensteuer.

Auch heute immer noch umstritten ist allerdings die Frage eines staatlichen Rechtsschutzes gegen kirchliches Handeln, oder – anders ausgedrückt – die Frage, inwieweit die Religionsfreiheit und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht vor Eingriffen staatlicher Gerichte zu schützen sind.

Der Bundesgerichtshof ging zunächst davon aus, dass dem Grundgesetz die grundsätzlichen Gleichordnung von Staat und Kirche als eigenständigen Gewalten zugrunde liegt, so dass die Kirchen der staatlichen Hoheitsgewalt grundsätzlich nicht mehr unterworfen sind und im kirchlichen Eigenbereich staatliche und kirchliche Hoheitsgewalt gleichgeordnet nebeneinander stehen[1].

Heute halten der Bundesgerichtshof[2] und ihm folgend auch das Bundesverwaltungsgericht[3] Klagen in solchen Fällen für unbegründet, das Bundesverfassungsgericht[4] – und in Einzelfällen auch das Bundesverwaltungsgericht[5] – geht in „sensiblen Bereichen“ sogar von einer Unzulässigkeit der Klage aus.

Hier finden Sie weitere Informationen!Intervise:
Ius in sacra
Ius reformandi
Ius advocatiae
Ius inspectionis

  1. BGHZ 34, 372, 374[]
  2. BGHZ 154, 306[]
  3. BVerwGE 116, 86[]
  4. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 09.12.2008 – 2 BvR 717/08[]
  5. BVerwGE 117, 145[]

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