Reformatio in peius – die Änderung zum Schlechten (die Verschlechterung, Verböserung) – beschreibt – als Ausfluss der Dispositionsmaxime – den juristischen Grundsatz, dass ein Urteil auf ein Rechtsmittel hin nicht zulasten des Rechtsmittelführers – und ein Verwaltungsakt nicht zulasten des Widerspruchsführers – verbösert, also belastender gestaltet werden darf.
Reformatio in peius im Zivilprozess
Im Zivilprozess ist das Berufungsgericht an die Berufungsträge gebunden, § 528 ZPO. Eine Verböserung zulasten des Berufungsführers ist daher nur möglich, soweit auch die andere Partei Berufung oder Anschlußberufung eingelegt hat. Entsprechendes gilt auch für das Revisionsverfahren, § 557 Abs. 1 ZPO.
Dies gilt auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
Reformatio in peius im Strafprozess
Auch im Strafprozess gilt grundsätzlich auch der Grundsatz der reformatio in peius, allerdings nur mit einer Ausnahme: Wird gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt und der Einspruch nicht auf die Höhe des einzelnen Tagessatzes beschränkt (§ 411 Abs. 1 S. 3 StPO), so ist aufgrund dieses Einspruches gegen den Strafbefehl auch eine Verböserung möglich, § 411 Abs. 4 StPO.
Erklärt die Staatsanwaltschaft, ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten einzulegen, so ist eine Verböserung ebenfalls ausgeschlossen.
Reformatio in peius im Verwaltungsprozess
Im Verwaltungsprozess ist die Reformatio in peius grundsätzlich unzulässig. Allerdings sieht die Verwaltungsgerichtsordnung eine Reihe von Ausnahmen von diesem Grundsatz vor, die den Besonderheiten des Verwaltungsprozesses geschuldet sind, so etwa
- bei einer Widerklage, § 89 VwGO, oder bei Anschlusrechtsmitteln, §§ 127, 141 VwGO;
- bei einem abweichenden Antrag eines notwendigen Streitgenossen, § 64 VwGO, oder eines notwendig Beigeladenen, § 66 Satz 2 VwGO;
- bei der selbständigen Anfechtung rechtswidriger Nebenbestimmungen, wenn bei Aufhebung dieser Nebenbestimmung der Grundverwaltungsakt rechtswidrig wäre;
- in der Rechtsmittelinstanz soweit keine Anträge der Beteiligten erforderlich ist bei Kostenentscheidungen, § 154 ff. VwGO, und Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, § 167 Abs. 1 VwGO.
Geht dem Verwaltungsprozess ein Widerspruchsverfahren voraus, so darf die Widerspruchsbehörde dem Widerspruch nur abhelfen, den angegriffenen Bescheid aber nicht mit einer weiteren Beschwer verbösern. Allerdings kann die Widerspruchsbehörde in dem Widerspruchsbescheid eine zusätzliche, gegenüber dem Ausgangsbescheid selbständige Beschwer festsetzen. Ist die Ausgangsbehörde nicht zugleich auch die Widerspruchsbehörde, so gilt dies nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht allerdings nur dann, wenn die Widerspruchsbehörde gleichzeitig auch die Fachaufsichtsbehörde der Ausgangsbehörde ist.
In einigen Ländern gibt darüber hinaus das Verwaltungsverfahrensgesetz der Widerspruchsbehörde ein Selbsteintrittsrecht, das sie befugt, unmittelbar gegenüber dem Bürger zu handeln, so etwa im Freistaat Bayern in Art. 3b BayVwVfG. Hierin liegt allerdings formell keine Verböserung gegenüber dem Ausgangsbescheid, vielmehr ist der Widerspruch hier nur der Anlass für die die neue belastende Regelung.
Im Verfahren vor den Finanzgerichten gilt die reformatio in peius im gleichen Umfang wie im Verwaltungsprozess, § 96 FGO. Das gleiche gilt auch vor den Sozialgerichten, § 123 SGG.
Intervise:
Ne ultra petita