Proverbia Iuris

Ratione materiae

Die aus der Staatenimmunität resultierende ratione materiae – das materielle, sachliche, funktionelle Prinzip – garantiert als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts eine funktionale Immunität und damit ein Schutz vor Maßnahmen dritter Staate für hoheitliche Handlung der Organe eines Staates.

Träger der Ratione materiae ist der Staat, nicht das jeweilige Staatsorgan. Daher kann auch nur der jeweilige Staat auf die Immunität im Einzelfall verzichten.

Anders als bei der an die Organstellung gebundene Ratione personae ist Anknüpfungspunkt für die Ratione materiae die funktionelle Handlung. Die funktionale Immunität der ratione materiae besteht daher für die handelnden Personen auch noch nach Beendigung ihres Staatsamtes fort.

Die ratione materiae als Immunität für staatliches, amtliches Handeln ist umfassend. Im Rahmen ihres funktionalen Rahmens existieren nach dem Urteil des Internationale Gerichtshofs aus dem Jahr 2002 im „Arrest Warrant“-Case (Kongo vs. Belgien) keine völkergewohnheitsrechtliche Ausnahmen. Dieses Urteil des IGH ist jedoch nicht unbestritten. So haben nicht nur 11 seiner Richter dem Urteil insoweit ein dissenting vote (eine abweichende Meinung) beigefügt. Es setzt sich vielmehr in der völkerrechtlichen Diskussion wie auch in der Rechtsprechungspraxis nationaler Gerichte zunehmend die Erkenntnis durch, das völkerrechtliche Verbrechen, die der Inhaber eines staatlichen Amtes während seiner Amtszeit begeht, keine amtlichen Handlungen darstellen, sondern regelmäßig als private Handlung anzusehen sind, auch wenn diese – meist Verstöße gegen den ius cogens des Völkerstrafrechts bildenden – Straftaten meist nur unter Zuhilfenahme der Einrichtungen und Mechanismen des Staates ausgeführt werden konnten. Diese Auffassung hat zur Folge, dass insoweit nur noch die – auf die Amtszeit begrenzte – Ratione personae einschlägig wäre, die Immunität also mit dem Ende der Amtszeit endet.

Diese funktionale Immunität gilt im Übrigen auch nur im Bereich der nationalen Gerichtsbarkeiten dritter Staaten. Dagegen hat sich im Bereich der internationalen Gerichtsbarkeit hat sich durch die Abkommen über die Strafgerichtshöfe für Ruanda (Art. 7 II ICTR-Statut) und das frühere Jugoslawien (Art.6 II ICTY-Statut) und in der Folge durch das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (vgl. Art. 27 II IStGH-Statut) eine völkerrechtliche Ausnahme für den Internationalen Strafgerichtshof herausgebildet. Dessen Gerichtsbarkeit bei der Ahndung schwerster Kriegsverbrechen sowie von Verbrechen gegen die Menschlichkeit kann daher aufgrund der völkervertraglichen Regelungen seines Römischen Statuts eine Immunität ebenfalls nicht entgegen gehalten werden.

Zwischen den Staaten des Europarates bestimmt sich der Umfang der Staatenimmunität nach dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972, dass seit dem 16. August 1990 auch für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist .

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Acta iure gestionis
Ratione personae

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