Laesio enormis – die enorme Verletzung – beschreibt ein grobes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung im Kaufvertragsrecht. Eine laesio enormis – auf deutsch auch bezeichnet als Verkürzung über die Hälfte – liegt vor, wenn der Kaufpreis geringer ist als die Hälfte des Wertes der Kaufsache.
Die laesio enormis ist ein Rechtsinstitut des römischen Rechts, die zurückgeht auf zwei Konstitutionen des Kaisers Diokletian aus den Jahren 289 und 293, und mit denen derartige Fälle einer groben Äquivalenzstörung im Kaufvertragsrecht aufgelöst werden konnte.
Die Konstitutionen Diokletians handelten konkret vom Grundstückskauf: Ein Grundstückskäufer, der als Kaufpreis nicht einmal die Hälfte des wahren Grundstückswerts erhalten hat, konnte aufgrund der laesio enormis entweder den Kaufvertrag aufheben oder aber die Differenz zum iustum pretium – zum gerechten Preis – verlangen.
Die laesio enormis als solche ist im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht aufgeführt, sie hat aber auch heute noch Bedeutung im Rahmen der Sittenwidrigkeit eines Geschäfts. Nach § 138 BGB ist ein Rechtsgeschäft sittenwidrig und damit nichtig, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung besteht und dies dem begünstigen Vertragspartner entweder bekannt war oder hätte bekannt sein müssen[1]. Ein derartiges Missverhältnis liegt vor, wenn die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung bei 100% liegt, wenn also der Kaufpreis unter der Hälfte oder über dem Doppelten des tatsächlichen Sachwertes liegt. Da nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gleichzeitig für das subjektive Element der Sittenwidrigkeit bei Vorliegen eines derartigen Missverhältnisses eine tatsächliche Vermutung spricht, hat sich die deutsche Rechtspraxis inzwischen wieder der laesio enormis angenähert.

Intervise:
Iustum pretium
- BGHZ 141, 27[↩]