Falsa demonstratio non nocet – die falsche Bezeichnung schadet nicht – beschreibt einen Grundsatz zur Auslegung von Willenserklärungen, wonach der Gehalt einer Willenserklärung nicht anhand der Wortwahl, sondern am wahren Willen der Parteien ermittelt wird. Dieser Grundsatz ist heute gesetzlich geregelt in § 133 BGB.
Ein berühmtes Beispiel aus der deutschen Rechtsgeschichte für den Grundsatz der falsa demonstratio non nocet ist der 1920 vom Reichsgericht entschiedene Haakjöringsköd-Fall: Dort kaufte der Kläger am 18. November 1916 beim Beklagten per Dampfer „Jessica“ 214 Fass „Haakjöringsköd“ aus Norwegen zu einem Preis von 4,30 Mark pro Kilogramm und bezahlte auch den vollen Kaufpreis. Dabei gingen beide Parteien davon aus, dass es sich bei Haakjöringsköd um Walfleisch handele. Tatsächlich bezeichnet im Norwegischen der Begriff „Haakjöringsköd“ jedoch Haifischfleisch vom Grönlandhai.
Beim Eintreffen des Dampfers im Hamburger Hafen stellte sich heraus, dass die bestellten Fässer Haifischfleisch enthielten, für das – im Gegensatz zu Walfleisch – als Folge des Ersten Weltkriegs allerdings Einfuhrbeschränkungen bestanden, sodass die staatliche Zentral-Einkaufsgesellschaft die Ladung beschlagnahmte und dem Käufer einen Übernahmepreis zahlte, der erheblich – nämlich um 47.515,90 Mark – unter dem bereits gezahlten Kaufpreis lag. Der Käufer klagte nun gegen den Verkäufer auf Rückzahlung dieses Differenzbetrages und erhielt – wie schon vor dem Landgericht Hamburg und dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg – vor dem Reichsgericht Recht:
Das Reichsgericht stellte fest, dass zwischen dem Käufer und dem Verkäufer ein Vertrag über Walfleisch zustandgekommen war, obwohl beim Vertragsschluss beide den Ausdruck Haakjöringsköd verwendet hatten, so dass eine Falschlieferung vorlag.
Sedes materiae war dabei für das Reichsgericht die Norm des § 133 BGB, wonach bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Die Parteien hatten hier subjektiv etwas anderes gewollt, als sie objektiv erklärt haben. In dieser Konstellation bestand für das Reichsgericht kein Grund, an der falschen Bezeichnung festzuhalten, da die Parteien dasselbe – nämlich Walfleisch – gewollt hatten: falsa demonstratio non nocet.
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Id quod actum est