Proverbia Iuris

A priori

A priori – „Vom Früheren her“ – wurde in der scholastischen Philosophie als Übersetzung der aristotelischen Unterscheidung zwischen „proteron“ und „hysteron“ – „Bedingung“ und „Bedingtes“ – verwendet. In der neueren Erkenntnistheorie bezeichnet „a priori“ – als Gegensatz zu „a posteriori – eine epistemische Eigenschaft eines Urteils: Ein Urteil a priori wird nicht auf der Grundlage einer Erfahrung gefällt, es ist vielmehr eine Bedingung der Erfahrung.

Heute wird unter einem apriorischen Wissen ein Wissen verstanden, das im Unterschied zu einem empirischen Wissen – erfahrungsunabhängig ist. Hieraus abgeleitet versieht die Alltagssprache solche Sachverhalte mit dem Etikett „a priori“, die bereits mit der Annahme bestimmter Bedingungen „von vornherein“ festgelegt sind.

Rationalismus und Empirismus[↑]

In den traditionellen Erkenntnistheorien der europäischen Neuzeit, dem Rationalismus und dem Empirismus, wurde generell angenommen, dass zumindest im Bereich der Mathematik und der Logik Wissen a priori möglich ist. Nur solche Urteile a priori konnten den Anspruch erheben notwendigerweise wahr zu sein und nicht nur zufällig aufgrund der augenblicklichen Situation. Eine der Fragen der Aufklärung war, ob es solche unhintergehbaren Gesetze auch im Bereich der Naturwissenschaft und der Ethik geben könne, um mit dem Geltungsanspruch religiöser Offenbarung konkurrieren zu können.

Der Streit zwischen Rationalismus und Empirismus beruht auf der Frage, wie Menschen epistemischen Zugang zu solchen Wahrheiten erhalten: Rationalisten wie Descartes oder Leibniz billigten den Menschen einen solchen Zugang zu Wahrheiten auch ohne sinnliche Erfahrung (also ohne Empirie) zu, während für Empiristen wie John Locke oder David Hume nur Urteilen über die Tätigkeit des eigenen Geistes den Status von Urteilen a priori zubilligten.

Immanuel Kant[↑]

In der Philosophie Kants, die für sich eine Synthese aus Rationalismus und Empirismus beansprucht, sind strukturelle Bedingungen der erfahrbaren Welt „a priori“, , da sie transzendentale Bedingungen der Erfahrung überhaupt sind. Hierunter zählt Kant etwa die „Formen der sinnlichen Anschauung“, die Kategorien oder Strukturen von Raum und Zeit.

Kant verwendet den Ausdruck zunächst noch im Sinn der rationalistischen Tradition für Erkenntnisse, die auf keiner konkreten empirischen Erfahrung beruhen und daher die Form allgemeiner und notwendiger Urteile annehmen können. In Absetzung vom Rationalismus hält er aber angeborene Begriffe von Gattungen, Arten oder Individuen für unmöglich. Nicht die Strukturen der Welt selbst, sondern nur die unserer Erfahrung sind a priori. Das Erkenntnisvermögen kann a priori keine Einzelgegenstände der Welt erkennen, aber auf die in ihm selbst liegenden Voraussetzungen der Erkenntnis, die Verstandeskategorien und die Anschauungsformen zugreifen. Da dieselben Strukturen und Erkenntnisvermögen auch für die Erkenntnis a posteriori verwendet werden müssen, gelten a priori erkannte Regeln und Zusammenhänge auch für diese.

Aus dieser Position Immanuel Kants folgt, dass Einzelgegenstände nur insofern erkennbar sind, als diese durch die a priori gegebenen Erkenntnisbedingungen vermittelbar sind. Wie Objekte unabhängig von dieser Vermittlung, die sog. Dinge „an sich“, beschaffen sind, ist demnach nicht erkennbar.

Eine Untersuchung, die sich auf die im Erkennen selbst liegenden Voraussetzungen und Bedingungen jeder Erkenntnis bezieht, nennt Kant in Abgrenzung hierzu transzendental, der methodische Ansatz hierzu ist seine Transzendentalphilosophie.

Michel Foucault[↑]

In der Kritik der klassischen Transzendentalphilosophie, wie sie bei Martin Heidegger entwickelt wurde, haben insbesondere die Theoretiker der spätmodernen französischen Philosophie – Jacques Derrida und Michel Foucault – die Voraussetzung fester, a priori gesetzter Bedingungen kritisiert und statt dessen von quasi-transzendentalen Voraussetzungen gesprochen. Diesen Ansätzen zu Folge sind Grundstrukturen der die Erfahrung, des Denkens und Handelns nicht ewige Wahrheiten, sondern Ausdruck von historischen und kulturellen Bedingungen. Das hat sowohl epistemologische wie praktische Konsequenzen, obwohl die jeweilig gültigen Grundstrukturen für die in diesen Bedingungen stehenden Menschen unhintergehbar sind und also für sie a priori bleiben.

Für Foucault besteht ein historisches Apriori, das nicht Gültigkeitsbedingung für Urteile, sondern Realitätsbedingung für Aussagen ist. Es handelt sich um die Bedingungen des Auftauchens von Aussagen, das Gesetz ihrer Koexistenz mit anderen, die spezifische Form ihrer Seinsweise und die Prinzipien freizulegen, nach denen sie fortbestehen, sich transformieren und verschwinden. Ein Apriori nicht von Wahrheiten, die niemals gesagt werden oder wirklich der Erfahrung gegeben werden könnten; sondern einer Geschichte, die gegeben ist, denn es ist die der wirklich gesagten Dinge.

Hier finden Sie weitere Informationen!Intervise:
A posteriori

Sie sind derzeit offline!